Torres del Paine, Chile

05:30 Uhr Morgens. Der Wecker klingelt. Draußen wird es langsam hell. Schnell die Haare in die richtige Position zupfen, Parfüm auftragen und rein in die Trekking-Kleidung. Frühstücken. Gesprochen wird nur das Nötigste. Die Augen sind noch klein, aber die große Fensterfront mit dem Blick auf die Meerenge und die schneebedeckten Berge ist unbeschreiblich. Magischer kann man wohl nicht frühstücken.

Jetzt geht es los. Ein Bus holt uns in Puerto Natales ab und fährt uns zum zwei Stunden entfernten Torres del Paine Nationalpark. Für den ersten Tag buchen wir uns eine Expedition mit einem Boot zu einem weit entfernten Gletscher. Der Grey Gletscher ist eines der Highlights der Parks, hat jedoch auch einen stolzen Preis. Wir schlucken kurz und freuen uns dennoch wahnsinnig auf dieses Naturspektakel. Bevor es aufs Boot geht wandern wir ein kleines Stück zur Bootsanlegestelle. Der Wind ist so stark, so dass bis kurz vor dem Ablegen nicht wirklich klar ist, ob wir das Boot überhaupt betreten dürfen. Wir haben noch nie so eine Windstärke erlebt. Wir können kaum atmen, kleine Steine fliegen uns entgegen und wir kommen oftmals keinen Schritt voran. Wahnsinn!

Auf dem Boot selbst beruhigt sich nach und nach die Lage. Wir trinken einen Pisco Sour (ein Traubenschnaps und das  Nationalgetränk der Peruaner) und stauen wegen des kristallblauen Wassers, das uns umgibt. Nach 30 Minuten sind wir nun endlich da. Der Gletscher ist 6 Kilometer breit, über 30 Meter hoch und hat eine Gesamtfläche von 270 km². Es ist unmöglich diese Farbe zu beschreiben oder auf den Fotos einzufangen. Wir fühlen uns, wie in einer Dokumentation. Obwohl viele weitere Personen mit uns auf dem Boot sind, ist alles still und jeder inhaliert diese Atmosphäre…fast mystisch. Wow. Nach fünf Stunden geht es wieder zurück ins Hotel. Schnell ab ins Bett, denn am nächsten Morgen steht die wohl größte Wanderung an.

Wir haben einen Mietwagen ergattert, um die nächsten Tage den Park zu erkunden. Ein schwieriges Unterfangen, da alle Mietwägen in der Region seit Wochen bereits verliehen sind. Javier, der Besitzer unserer nächsten Unterkunft in Puerto Natales, leiht uns freundlicherweise zum Spottpreis den Wagen seiner Frau. Ohne Versicherung, ohne Papiere. Doch bereits auf dem Weg zur Tour am Vortag merken wir in welch unglaublich schlechten Zustand die Straßen sind. So bittet uns Javier langsam zu fahren und auf das Auto aufzupassen. Auf der Fahrt in den Park singt Bono von U2 ein paar Lieder für uns und wir erfreuen uns an dieser endlosen Weite und den Tieren, die uns umgeben. In den ersten 30 Minuten sehen wir bereits Wüstenfüchse, Adler, Kondore und Flamingos. Wir kommen uns vor, wie auf einer Safari.

Nun startet die Wanderung und für mich erfüllt sich ein Kindheitstraum. In wenigen Stunden sehen wir die „drei Türme des blauen Himmels“. Julia bucht einen Fremdenführer Namens „Kiwi“, der sie von unten nach oben peitscht. Mit viel Respekt starten wir diese schwierige 21,5 KM Wanderung. Es geht nahezu immer steil Bergauf – 5 Stunden einfach. Durch Wälder, vorbei an Guanakos (aus der Familie der Kamele) und Steingeröll. Als wir völlig erschöpft am Ziel ankommen erwartet uns ein grandioser Blick auf die drei Türme und dem türkisfarbenen Bergsee. Es ist unbeschreiblich, kaum in Worte zu fassen und wir kämpfen sogar leicht mit den Tränen. Unbeschreiblich. Wir genießen kurz den Moment und treten dann unseren Rückweg an.

Der Typ auf Bild 1 ist übrigens Collin. Er kommt aus Bristol in England. Ihn haben wir am Vortag bereits bei der Gletscher-Tour kennengelernt und erfreuen uns auch am zweiten Tag bei der Wanderung über seinen trockenen englischen Humor. Dieser hilft allerdings nur bedingt, wenn wir an die fünf Stunden Rückweg denken. Wir leiden, beschimpfen die Situation und sind am Ende dennoch beseelt und dankbar, als wir am Parkplatz angekommen sind. Was für eine Wanderung.  Ein Erlebnis, dass wir sowohl körperlich als auch mental nicht vergessen werden. Julia bekommt von Fremdenführer Kiwi Abends noch das erste Abzeichen „Kletteräffle“ verliehen. Was will man mehr.

Auf dem Heimweg nehmen wir noch eine Tramperin mit. Contencia kommt aus Chile, hat jedoch in der Schule 14 Jahre deutsch gelernt und so ergibt sich eine stundenlange intensive Unterhaltung über das Leben, Ziele und Mentalität. Wertvoll. Das Lieblingswort von Contencia in der deutschen Sprache ist übrigens „Vorfreude“. So toll, oder?

Und dann kommt natürlich noch was kommen musste. Ein Stein trifft unser Auto, als uns ein schnelleres Auto entgegenkommt. Das Geräusch lässt schon erahnen, dass es nicht gut ausgehen würde. Zwei große und tiefe Kratzer sind mitten auf der Motorhaube. Mist. Völlig übermüde und körperlich am Ende fallen wir Abends in Bett. Dankbar für alles, aber leicht verärgert wegen der Schäden am Auto.

Der nächsten Tag läuft unter dem Motto„Ruhephase“. Wir ziehen zudem in das kleines AirBnb von Javier außerhalb des Ortes. Mitten ins Nichts in eine kleine Hütte. Eine der wohl außergewöhnlichsten Unterkünfte während unserer gesamten Reise. Der kleine Jacuzzi mitten im Zimmer hat einen tollen Blick auf das Meer und auf die Berge. Abends einen Schluck Rotwein, chillige Musik, ab in den Pool und die Welt ist in Ordnung. Stop. Wir müssen ja noch unseren Auto-Fauxpas klären. Ganz klein mit Hut klopfen wir an der Eingangstür von Javiers Haus und melden ihm den Schaden am Auto. Er lacht nur und sagt „das ist eh das Auto meiner Frau“ und mit „so etwas muss man hier einfach rechnen“. So ein entspanntes Verhalten. Selbst als wir einen Tag später noch einen großen Nagel im Reifen entdecken bleibt Javier tiefenentspannt.

Wir fahren zur Laguna Azul. Zur blauen Lagune. Der See macht seinem Namen alle Ehre. So ein intensiv dunkelblaues Wasser haben wir noch nie gesehen. Hier wandern wir um den See durch tolle Landschaften. Mutterseelenallein. Fast zumindest. Immer wieder laufen uns Guankos über den Weg. Die Begegnungen sind uns nicht wirklich geheuer, da sie zwar sehr süß aussehen, aber klar zu verstehen geben, dass wir in ihrem Territorium sind. Als uns ein Guanko anspuckt, nehmen einen großen Umweg wieder zurück in Richtung Parkplatz. Die Wanderung war dennoch toll. Oft bleiben wir stehen, umarmen uns und fühlen den Moment. Jedoch mit angezogener Handbremse, denn die Wanderung führt mitten durch das Gebiet, dass weltweit eine der größten und letzten Populationen von Pumas aufweist. Gesehen haben wir jedoch keinen. Vielleicht gut so.

Zum Abschied saugen wir noch ein paar Tage den süßen Ort Puerto Natales auf, haben tolle Gespräche mit Javier und sind dankbar für diese Erfahrung. Die Wanderungen, die Natur als auch dieser wunderbare kleine Ort, war ein guter Fleck auf diesem Planeten, um zu entschleunigen und durchzuatmen.

Ein Lebenstraum, der in Erfüllung gegangen ist.
Wir ziehen weiter nach Valparaiso. Zentrale-Chile.

8 Kommentare zu „Torres del Paine, Chile“

  1. Wahhhhnsinn Leute, so cool, was ihr zwei erlebt.
    Richtig mitreißend geschrieben und so wunderschöne Bilder 😍😊. Ich bin begeistert und vor allem echt inspiriert von euch. Danke, dass ihr teilt. So schön!

    1. Baba 🙂 schön von dir zu lesen und cool, dass du hier vorbei schaust :-*
      Dicker Drücker geht raus in die Rolli 😉

  2. Das ist ja eine beeindruckende Landschaft. Hätten nicht gedacht, dass Chile solche Highlights aufweist. Die Story mit dem Auto müsst ihr uns unbedingt erzählen! Wir können uns gut vorstellen, wie es euch dabei gegangen ist. Meine bessere Hälfte musste darüber lautstark lachen.

    Viel Spaß euch noch!

  3. Marion Dehnhardt

    Schön wieder von dir Tom und Julia B. zu hören. Super Erlebnisse und schöne Bilder. Viel Spaß bei eurer Weiterreise wünscht euch die Marion 😃

  4. Wahnsinn – diese tollen Erlebnisse, Eindrücke, Erfahrungen und Momente und die tollen Fotos, die wirklich für sich sprechen! Eure Weltreise und der Blog sind so beeindruckend, man ist immer wieder aufs Neue fasziniert und begeistert . Gute Weiterreise ❤️

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