Wir sitzen gemütlich vor unserem Camper im Campingstuhl an einem Fjord. Vor uns das dunkelblaue Meer, kleine Fischerboote, die gerade ihre Fracht entladen und danach neben einem rotweiß gestrichenen Holzhaus am Steg parken. Noch immer gut gesättigt von einer großen Portion „Mac & Cheese“ liegt nun der neue Bestseller von „Arno Stobel“ vor uns. Die tiefstehende Sonne wärmt bei 21 Grad unser Gesicht. Der restliche Körper ist in kuschelige Fleecepullover eingepackt. Wir sind allein. Alles ist ruhig. Was für ein guter Platz für die Seele hier Nedstrand in Fjordnorwegen.
Zwei Wochen zuvor:
Da Norwegen als eines der teuersten Länder der Welt gilt, kaufen wir in Deutschland einen halben Supermarkt leer, um für die nächsten Wochen gut ausgestattet zu sein. Danach geh es mit unserem Mietcamper „Wombatz“ in Richtung Dänemark, um von Hirtshals mit der Fähre nach Kristiansand in Süd-Norwegen zu gelangen. Wir staffeln den Weg in mehreren Etappen, campen sowohl in Deutschland als auch in Dänemark freistehend auf gruseligen Parkplätzen. Die Fahrt zieht sich über 13 Stunden. Doch die kleinen Strapazen sind es wert. Das Land der Fjorde, Elche, Trolle und Zimstschnecken erwartet uns.
Unseren ersten Stop machen wir in Flekkefjord, einem kleinen ursprünglichen Fischerdorf mit weißen Häusern, süßen Bäckereien und kleinen Shops. „Kultur muss sein“ und so zieht es und direkt in ein gemütliches Café in der süßen Altstadt. Während die Stadt erwacht schlürfen wir bereits an dem besten Chai Latte unseres Lebens und erfreuen uns daran die Norweger beim Leben zu beobachten.
Norwegen ist wie leergefegt und so stehen wir die nächsten Tage mutterseelenallein auf Campingplätzen, schwimmen nach kurzen Spaziergängen im Schwimmbad oder lassen unsere Seele im Jacuzzi baumeln. Es passiert nicht viel. Wir lesen, meditieren, grillen mit Zeit oder kümmern uns um „Wombatz“. Er braucht viel Aufmerksamkeit.
-Ist die Strom- und Gasversorgung ausreichend?
-Ist „noch Platz“ in der Toilette?
-Haben wir genügend Wasser?
-Ist das Grauwasser entleert?
Alles muss seinen Platz haben, ansonsten herrscht Chaos in diesem kleinen Raumwunder. Jeder hat seine Aufgabe. Julia ist CEO im Bereich „Kitchen & Beverage“, ich kümmere mich um das Putzen, den Abwasch sowie die Entleerung der Chemietoilette. Die Leserschaft wünscht sich sicher ein Bild von mir bei der Entleerung, jedoch hat es nur ein Bild beim Abwaschen in den neuen Blogartikel geschafft. Wir erfreuen uns an den Aufgaben rund um Wombatz. Wir haben wenig Besitz dabei. Alles ist reduziert auf das Geringste. Weltreise-Vibes kommen wieder auf.
Nach ein paar Tagen stehen die ersten Wanderungen auf dem Programm. Während wir beim Kjeragbolten vermehrt auf Einheimische treffen, ist beim weltweit bekannten Preikestollen ab 10:00 Uhr die Hölle los. Daher heißt es früh aufstehen. Um 06:00 Uhr startet mit verschlafenen Augen und einem Brötchen im Magen unsere fünfstündige Wanderung. Das frühe Aufstehen lohnt sich und so sind wir die ersten Stunden nahezu alleine auf dem 600 Meter hohen Felsvorsprung, genießen die ersten Sonnenstrahlen in unserem Gesicht und tauchen in die Magie Norwegens ein. Deutlich weniger los ist auf dem Kjeragbolten. Die Wanderung ist mit nur 11 Kilometern ist eine der kürzesten, jedoch auch härtesten Wanderungen unseres Trips. Wir ziehen uns fast ausschließlich an Stahlseilen entlang der steilen Felswand nach oben. Die Arme schmerzen, die ersten Blasen an den Füßen. Doch der Blick auf die besondere Felskonstellation lohnt sich. Während des Rückwegs lernen wir noch Viktoria kennen. Sie ist drei Wochen allein im goldfarbenen Ford Fiesta unterwegs und schläft auf einer selbstgebauten Holzplatte. Muss man wollen. Viktoria empfiehlt uns die Serie „Outlander“, die wir abends bei gedimmten Lichterketten in unserem gemütlichen Camper suchten.
Reisen in Norwegen heißt viel unterwegs zu sein. Mit einer Küstenlänge von 2.500 Kilometern verteilen sich die Hotspots über die gesamte Westküste. Vorbei an unendlichen Wäldern, Wasserfällen und bunten Holzhütten in gelb, rot oder weiß, (wir würden unser Haus gelb streichen… du? ) erfreuen wir uns an jedem Fotospot, der hinter der nächsten Kurve lauert. Begleitet werden wir von der atmosphärischen Musik von „Jonah“, schmunzeln bei den neuesten Podcasts oder verlieren uns einfach in Gedanken. Bisher heißt es „viel Natur, wenig Menschen“. Doch wie ticken die Norweger überhaupt? Zeit für einen Abstecher in einer richtigen Stadt. Wir machen für ein paar Tage Halt in Stavanger.
Die charmante Küstenstadt gilt als die heimliche Haupstadt Südnorwegens und brilliert mit seinen kunterbunten Gässchen, kleinen Shoppingmeilen und einem schönen architektonischen Mix aus „neu & alt“. Wir tun das, was wir am besten können und suchen uns eines der süßesten Cafés in der Altstadt und beobachten bei einem Carrot-Cake das Geschehen. Die GEN-Z trägt weiterhin 90er-Klamotten. Der Adidas Samba-Schuh ist allgegenwärtig. Die alteingesessenen Norweger laufen mit kurzen Hosen und offenen Schuhen durch die Schlemmergassen. Auf unsere Nachfrage hinsichtlich des Kleidungsstils erfreut sich ein Norweger an den untypisch sommerlichen Temperaturen im September. Er sagt „in Norway normally we have 9 month of winter… and three month of spring“. Somit muss die stolz gekaufte Sommermode an den wenigen schönen Sonnentagen stets präsentiert werden. Alle wirken zufrieden. Viele kleine Smalltalks „hier und da“.
In Sachen Schulbildung und Sozialsystem gilt „Noreg“, wie es die Einheimischen nennen, als eines der fortschrittlichsten Länder der Welt. Nachbesserungsbedarf besteht unserer Meinung jedoch hinsichtlich der Ess- und Einkaufskultur. Alkohol fließ in Unmengen (trotz der sehr hohen Besteuerung… Minimum 18,00 € für 0,2 L Vino) und in den Supermärkten finden wir kein einziges veganes Ersatz-Produkt. Stattdessen Süßigkeiten „en mas“ in riesigen Verpackungen „like in the US“. Verpackt wir das ganze an der Kasse in Plastiktüten. Note 5.
Das Hohe Gehaltsniveau in Norwegen mit durchschnittlich bei 3.500 Euro netto merkt man an jeder Ecke. Vor jedem Restaurant stehen mindestens zwei Tesla, es wird geshoppt, investiert und ausgiebig gespeist. Alle können perfekt Englisch, jedes System (Kauf der Busfahrkarte, Check-in, Bezahlen an der Kasse etc.) wirkt revolutioniert, funktioniert reibungslos und ist perfekt durchgespielt. Hier merkt man den Vorsprung Skandinaviens.
Nach ein paar Tagen in der Stadt zieht es uns wieder in die Natur. Wir fahren in die Hochebene und besteigen die kleine Trollzunge, schwitzen in einer runden heißen Holzsauna und erfrischen uns danach im eiskalten Bach. Abends wird mit Zeit gegessen. Hier und da ein Plausch mit den anderen Campern. Das Leben auf einem Campingplatz ist unglaublich langsam und unkompliziert. Ankommen, Campingstühle und Tisch aufbauen, Markise ausfahren und die Sanitäreinlagen auf dem Campground inspizieren. Die heiße Dusche abends nach dem Essen ist unser bester Freund. Viel mehr passiert nicht und das tut auch unglaublich gut.
Nach fast drei Wochen sinken nach und nach die Temperaturen, die Natur färbt sich in Orange. Während der Indian Summer mit tollen Lichtstimmungen das Land einnimmt, machen wir uns langsam und beseelt auf die Rückreise. Wir vergessen ständig, welcher Wochentag gerade ist. Ein gutes Zeichen. Norwegen hat Herz, Freiraum und unendliche Weite. Big Sky Country würden unsere amerikanischen Freunde wohl sagen. Wir kommen wieder. Gelbes Haus und so…. doch zunächst müssen wir uns wieder mal bei unseren asiatischen Freunden blicken lassen.
Hallo Tom und Julia W. klingt doch alles ziemlich cool und die fantastischen Fotos für eure Follower sind super, so hat man eine exakte Vorstellung wie es in Norwegen aussieht. Weiter so.
Viele Grüße von Marion 🥳
Hi Marion,
freut uns sehr, dass wir dich kurz mit nach Norwegen „mitnehmen“ konnten 🙂
Hallo Ihr Zwei.
Wie immer eine Freude Euren Blog zu lesen. Danke für die vielen tollen Bilder, Ihr schafft es Einen an Eurem Urlaub teilhaben zu lassen
Lg
Anja 🙋🏼♀️
Hi Anja, vielen Dank für die lieben Worte 💜
rot-weiß, gelb-weiß, hellblau oder vielleicht doch lieber grün-weiß 🤔? Auf jeden Fall farbenfroh, so würden wir unser Haus streichen.
Hört sich neben Urlaub auch nach einer mega schönen Auszeit an, Zeit für sich, Natur erleben und leben, Einsamkeit und Stille genießen und dank Wombatz viel Freiheit und Unabhängigkeit …. vielleicht geht‘s ja irgendwann noch weiter gen Norden, we will se 🙂
liebe Grüße Sabine
Ja, unbedingt. Wir wollen unbedingt noch hoch zu den Lofoten 🙂
…rot-weiß klingt doch ganz gut 😉