Ho-Chi-Minh-Stadt, Südvietnam

Buchläden haben einen speziellen Geruch. Meist liegt Teppich aus und es ist angenehm ruhig. Wir lieben diese Atmosphäre. In Ho Chi Minh-City suchen wir daher auch wieder einen Book-Store auf. Ich kaufe ein neues Tagebuch, Julia testet derweilen alle Kugelschreiber und erfreut sich an kleinen Accessoires. Doch die 9 Millionen-Metropole kann natürlich weitaus mehr. Die pulsierende Stadt im Süden Vietnams ist mehr als doppelt so groß wie Berlin… und das merkt man auch. Die Transferzeiten sind deutlich länger als in unseren bisherigen Destinationen. 

Die Luft ist schlecht. Es riecht nach Abgasen, Durian (Stinkefrucht) und Nagellack-Entferner. In den meisten Straßen dominieren Beauty-Einrichtungen das Geschehen. Einheimische und Touristen, die sich die Zähne bleachen möchten oder eine Skin-Whitening-Session buchen möchten (die Haut bleichen, um heller auszusehen), kommen hier voll auf ihre Kosten. Die Bürgersteige sind meist kaputt, es ist laut, an vielen Ort liegt Müll, unzählige Motorroller… und dennoch strahlt sowohl diese Stadt als auch seine Bürger viel Liebe und eine tolle Ruhe aus. Wir kommen uns vor, wie in einem Film. Das Leben findet auf der Straße statt. Es wird gekocht, genäht, verhandelt, gegessen und gewaschen… wir laufen oft nur die Gassen entlang, beobachten, speichern Momente ab und staunen. 

Die Menschen hier wirken selbstbewusster, als in anderen Teilen Vietnams. Große IT-Firmen haben sich hier niedergelassen, überall gibt es große Mode-Shops und Fabriken. Ein Traum für Shopaholics. Bei einem Gespräch mit einem zugezogenen Münsteraner haben wir erfahren, dass es seit ein paar Jahren eine große Mittel- und Oberschicht gibt, die viel Wert auf hochwertiges Essen und neue Trends legt. So trifft man anscheinend in teuren Restaurants nicht mehr nur sogenannte Expats (Fachkräfte, die von Unternehmen für einen zeitlich limitierten Aufenthalt an eine ausländische Niederlassung entsandt werden), sondern mittlerweile vermehrt Einheimische. Wir haben uns jedenfalls schnell verliebt, obwohl unser Start erneut etwas holprig war. Im unserem neuen Apartment angekommen, wurden wir von ein paar leeren Flaschen, Haaren am Boden und abgenutzter Bettwäsche begrüßt. Unsere Vermieterin lenkte umgehend ein, wir bekamen unser Geld zurück und suchten uns ein kleines Hotel in der Nähe.

Wir finden weiter Freunde daran das alltägliche Leben aufzusaugen. Die lokalen Märkte besuchen, durch die Shopping-Straßen schlendern, das vietnamesische Essen inhalieren (hier gibt es mit Abstand den besten Tofu) oder ein bisschen beim Schneider des Vertrauens abhängen, da meine Hose an einer sehr unangenehmen Stelle gerissen ist. Bild 1 lügt übrigens nicht. Julia und ich sind wirklich größer (oder zumindest gleich groß), wie die durchschnittlichen Einheimischen hier. Während wir in Deutschland eher in die Kategorie der Kampfzwerge eingeordnet werden, könnten wir hier auch als Türsteher arbeiten… fast zumindest…

Täglich laufen wir meist mehr als 11 Kilometer bei einer Luftfeuchtigkeit von 85 %. Daher gönnen wir uns auch zwei mal eine Massage. 75 Minuten durchkneten lassen kostet nur 10 Euronen. Bei unseren Märschen durch die Innenstadt treffen wir auch auf die beiden Highlights der Stadt. Zum einen der Wiedervereinigungspalast, in dem das Ende des 20 Jahre andauernden Vietnam-Kriegs besiegelt wurde. Zuvor hieß die Stadt „Saigon“ und wurde 1975 nach dem Volkshelden und damaligen Präsidenten Ho-Chi-Minh umbenannt. Alles hier in dem Palast versprüht ein bisschen DDR-Vibes. 

Nur wenige Kilometer entfernt liegt das Kriegsreste-Museum. An dem Tags unserer Besuchs ging im Nachgang nicht mehr viel, da uns vor allem die dargestellten Inhalte emotionale erschöpft haben. Wir haben beide schon viele Museen besucht, aber dieses Museum war so intensiv. Die Inszenierung war schlicht, ohne großes „Tamtam“. Keine spezielle Licht-Inszenierung, keine modernen Video-Animationen. Einfach die ungeschönte Wahrheit in Form von Bildern. Wir haben nahezu jedes Bild samt Bildunterschrift gelesen und auf uns wirken lassen. Oft konnten wir allerdings kaum hinsehen. Bilder von zerfetzen Menschen, durch Giftgas verstümmelte Missbildungen (auch noch Jahrzehnte nach dem Kriegsende) und zerstörte Städte. Fraglich ist warum das Museum keine Altersbeschränkung hat. Kinder und Jugendliche laufen mit ihren Eltern durch das Museum und werden diese Bilder vermutlich nicht so schnell aus ihren Köpfen bekommen. Der pure Wahnsinn, was damals passiert ist und für uns bis dato nicht begreifbar, warum dieser Krieg stattfinden musste. Trotz der Bilder, die wohl auch wir sehr lange mit uns tragen werden, sind wir dankbar für diese intensive Erfahrung. 

Nach knapp einem Monat verlassen wir nun Vietnam schweren Herzens. Nach dem eher unschönen Start im Norden des Landes, hat uns sowohl Zentral- als auch Südvietnam absolut in seinen Bann gezogen. An allen Ecken merkt man, dass sich das Vietnam von einem Entwicklungsland mittlerweile hin zu einem Schwellenland entwickelt hat. Der weitere Verlauf wird spannend. Ohne fundiertes Wissen zu haben, können wir uns dennoch gut vorstellen, dass Vietnam in naher Zukunft auch weltwirtschaftlich eine wichtigere Rolle einnehmen kann. Insbesondere durch die guten Verbindungen zu China.

Wir sehnen uns sehr nach Laugengebäck, sauberen Trinkwasser und nach unserer Familie & Friends. Doch bevor es zurück nach Europa geht, folgt noch ein letzter Stop im Land des Lächelns: Thailand

6 Kommentare zu „Ho-Chi-Minh-Stadt, Südvietnam“

  1. Es ist schön zu lesen was ihr alles erlebt. Eine Massage brauch ich auch mal 😄
    Ich freu mich schon auf euch:)

  2. Marion Dehnhardt

    Hallo ihr Weltenbummler, schön von euch wieder gelesen zu haben. Guten Weiterflug ✈️
    Wohin nach Thailand geht es?
    Viel Spaß Julia B. und Tom wünscht euch die Marion 🤓

  3. Sabine Dehnhardt

    Ihr solltet über Eure Weltreise wirklich später ein Buch schreiben – ich bin mir mehr als 100% sicher, das wird ein Bestseller.
    Ich hab das Gefühl, dass Ihr Euch von Blog zu Blog steigert, Eure Erlebnisse und Eindrücke zu schildern und uns an Eurem Leben und Eurer Reise teilhaben zu lassen.
    Ich bin, wie jedes Mal, super begeistert – bei sono&kiwi vorbeizuschauen – ein Lebenszeichen von Euch zu erhaschen – einzutauschen in Eure „Weltenbummler-Geschichten“ !
    Guten Weiterflug nach Thailand – und lieben Dank, das Bruce sich schon auf der Playlist verewigen durfte 😉
    Seid lieb gedrückt Sabine

    1. Vielen vielen Dank für die herzlichen und lieben Worte 😘
      Ja, Bruce begleitet uns mittlerweile fast täglich 🤗☺️
      Einen dicken Drücker in die Heimat

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