Hanoi, Nordvietnam

Ich mag keine Autohupen. Bei Autofahrten in Deutschland hupe ich wirklich nur in absoluten Notsituationen. Bisher geschätzte 20 mal in meinem Leben. Hier wird bei einer Distanz von 500 Metern ca. 30 mal gehupt. Denn wer hupt… gewinnt. Wir sind in der quirligen 8. Millionen-Metropole Hanoi im Norden Vietnams angekommen. Doch schnell wird klar, dass unsere Lebenseinstellung und Wertesystem nicht ganz mit dem der Nordvietnamesen kompatibel ist.

Zwar läuft die Organisation am Flughafen super (auch, wenn das Schloß unseres Rucksacks aufgebrochen wurde), die Straßen sind deutlich besser im Vergleich zu Indonesien und auch das Internet läuft sensationell flüssig. Doch eine Sache fällt uns sofort auf und zieht sich fast ausnahmslos durch: Warum lacht hier niemand? Während wir auf Bali mit Herzlichkeit überschüttet wurden, wissen wir hier nicht wirklich, ob wir als Touristen willkommen sind. Eine Pauschalisierung ist sicherlich unfair, da wir auch Menschen treffen, die wirklich sehr offen sind. Leider betrifft das aus aus unserer Sicht jedoch nicht die Masse im Norden Vietnams. Auch die Sitten, gerade im Hygienebereich unterscheiden sich von unseren Gewohnheiten. Es wird wild gehustet, geschnäuzt und die Viren in der Weltgeschichte verteilt. Ausgewachsene Doggos und Katzen werden in Meerschweinchenkäfigen am Straßenrand verkauft. Über Stunden der Mittagshitze auf engstem Raum ausgesetzt. Ich bin mehrmals implodiert. Gleiches gilt für Fleisch, dass an den Essensständen, übersät mit Fliegen, verhökert wird. Der Start war nicht leicht für uns.

Doch nun zum Positiven. Die Hauptstadt Vietnams ist pulsierend, vielseitig und hat kulinarisch eine Menge zu bieten. Eine der bekanntesten Speisen ist sicherlich „Banh Mi“. Baguette, wahlweise mit Tofu oder Chicken, Koriander, Fischsauce, eingelegten Karotten und optional noch Rührei. Super lecker. Zudem durften wir hier auch die besten Massagen in unserem Leben genießen. Für nur 12 Euronen erhält man über 60 Minuten ein Verwöhnprogramm par excellence. Die Straßen sind bunt und übersäht mit Rollerfahrern, die sich einen heißen Ritt mit den Taxifahrern liefern. Mitten durch die Stadt führt eine alte Bahnstrecke, die dicht zwischen die Häuser gebaut wurde. Zwei große Seen inmitten des Zentrums sorgen für zusätzlichen Charme. Hanoi fährt mit viel Tradition auf. Kulturelle Einflüsse vor allem aus China und Frankreich machen sich überall bemerkbar. Darüber hinaus war Hanoi bis 1954 auch die Hauptstadt Indochinas. Ein Zusammenschluss der ehemaligen französischen Kolonialgebiete des heutigen Laos, Kambodscha und eben Vietnam. 

Wir haben ein wunderschönes Hotel am Rande einer der beiden Seen. Durch einen Wasserschaden in unserem Zimmer erhielten wir ein Upgrade in ein großes 80qm Apartment. Der Klodeckel hatte eine Wärmefunktion und spielte auf Wunsch Musik ab. No more words needed. Da unsere Wohnung so gemütlich war, hat sich auch ein weiterer Mitbewohner eingenistet. Eine Kakerlake namens „Luxi“ (wir haben sie so genannt, da sie uns dann weniger eklig erschien“). Luxi ist allerdings nach einem Tag leider von uns gegangen. Ein schwerer Verlust. Für die Angestellten des Hotels waren wir als Europäer wohl sehr exotisch. Sie waren wirklich sehr zuvorkommend und erklärten uns sogar, dass wir die Waschmaschinentabs nicht essen dürfen. Schade, da ich kurz davor war sie als Nachspeise zu essen.

Tagsüber schlenderten wir meist durch die belebten Gassen der Altstadt und testeten diverse Cafés. In Erinnerung bleibt sicher das „Notes-Cafe“. Eine Location, die von oben bis unten mit Notizzetteln, inklusive süßer Nachrichten und Sprüche, verziert wurde. Viele Straßenzüge haben hier eigene Themen und so findet man beispielsweise ganze Häuserreihen in denen wahlweise nur Rucksäcke, Papier oder Lampen verkauft werden. Cool. Abends spazieren wir um den See und treffen immer wieder auf Kinder, die uns auffordern unseren Spaziergang zu unterbrechen, um mit ihnen Englisch zu sprechen. Sie haben so laut eigener Aussage die Möglichkeit mit westlichen Menschen ihrer eigenen Fähigkeiten zu testen. Zuckersüß.

Alte Bekannte haben wir auch wieder getroffen. Nico, den wir in Kuala Lumpur zu Beginn unserer Reise kennenlernten, treffen wir Abends, um seinen Geburtstag beim Italiener zu feiern. Ein wunderschöner Abend. Dem in Nichts nach steht auch unser Restaurantbesuch mit Marianne und Felix aus Stuttgart. Wir haben das bezaubernde Pärchen bei unserem Ausflug zur Ha Long Bucht kennengelernt. Schaut euch mal die Bilder an…. was für ein wunderschöner Fleck auf diesem Planeten:

Toll, oder? Die Bucht liegt rund 2,5 Stunden von Hanoi entfernt. Über 2000 kleine Inseln eingebetet in smaragdgrünem Wasser. Obwohl sich hier unzählige Touristen tummeln, herrscht hier eine magische Atmosphäre. Die Stimmung wird jedoch kurz unterbrochen, als wir die in unserem Leben bis dato größte Spinne treffen. Auf dem Weg hoch zu einem Gipfel durch den Dschungel hängt dieser gelbgrüne Brocken direkt über uns. Eklig. Und giftig. Der Tagestrip war jedoch wundervoll. Auf dem Programm stand neben der Bootsfahrt noch der Besuch einer Tropfsteinhöhle und eine Kanutour zu zweit durch die tollen Felsformationen.

Der Artikel mag nicht enden und so schildere ich euch als Zugabe noch meinen Krankenhausbesuch in Hanoi: Da wir unbedingt die Krankenhaussituation in Vietnam testen wollten, schnitt ich mir kurzerhand einfach noch beim Apfelschneiden in den Finger. 5cm tief. Stark. Was folgte was eine Farce. Allgemein treffen wir in Hanoi fast auf keine Menschen, die Englisch sprechen können. Gleiches gilt für die Ärzte und Angestellten im Krankenhaus. Mit Hand und Fuß versuchten wir meinen kleinen Unfall zu erklären (ein Hoch auf die Übersetzungsfunktion im Handy), ehe ich auf einer alten Liege, übersäht mit den Haaren und Fingernägeln der Patienten vor mir, eine kleine OP über mich ergehen lassen musste. Drei Stiche und fertig war das Ding. Fertig waren wir auch mit den Nerven, da keiner wusste, ob ich bereits eine Tetanus-Impfung hatte. Die Kollegen hätten mir die Spritze einfach reingejagt. Auf der Krankenliege haben wir dann noch im letzten Moment unseren Hausarzt in Deutschland kontaktiert und das „OK“ eingeholt. Nach zwei Stunden haben wir das Krankenhaus verlassen. Mit im Gepäck: ein dicker Verband, Antibiotika und jede Menge Viren, die wir vom stark hustenden Krankenhauspersonal (inkl. Ärzteteam) als Geschenk mit nach Hause genommen haben. Die Erfahrung ist im Nachhinein eher als „Mittel“ einzustufen. 

Einen versöhnlichen Abschluss in Hanoi gab es dennoch. Wir trafen einen Freund unseres Hundes Cooper auf der Straße. Mit Ausnahmegenehmigung von Julia war sogar eine Kuscheleinheit erlaubt. Yes.

Wir ziehen weiter nach Zentralvietnam. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

15 Kommentare zu „Hanoi, Nordvietnam“

  1. Jetzt ist aber mal genug mit Krankenhaus und Arztbesuchen, ihr zwei 🙂
    Freut mich sehr, dass du nach über einem Monat deinen ersten Dogo-Freund streicheln duftest und Julia so kulant war. Hehe.

    Weiter viel Spaß und gut aufpassen, freu mich schon auf die nächsten wilden Geschichten.

  2. Tolle Bilder, noch mehr liebe ich Deine Art zu schreiben. Du nimmst einen mit, man ist dabei. Herrlich. Ich liebe es, wenn im Status das Sono-Kiwi Bild erscheint, denn dann weiß ich, jetzt tauche ich ein, für kurze Zeit begleite ich Euch auf Eurer Reise in der Ferne. Gute Heilung für Deinen Finger Tom und weiterhin eine superschöne Zeit Euch Beiden. Cheers Heike xx

  3. Lieber Tom, liebe Julia,
    es ist ein Gedicht, eure Blogartikel zu lesen und mich knapp zehn Jahre zurückversetzt zu fühlen. Dank deinem hervorragenden Schreibstil – gepaart mit den herrlichen Bildern – ist es eine willkommene Abwechslung im arbeitsreichen deutschen Alltag. 🙂
    Die Vietnamesen sind ein spezielles Volk, aber Vietnam bietet unfassbar schöne Flecken und sehr nette Menschen abseits der Touri-Hotspots. Und die Busfahrt von Nord nach Süd vergisst man seinen Lebtag nicht; vorausgesetzt man überlebt sie. 😀
    Alles Gute für Euch und Drücker von der Jo

    1. Jooooooooooo ? schön von dir zu lesen. Cool, dass du uns folgst ? Danke für deine lieben Worte ? wusste gar nicht, dass du auf deine Reise auch hier warst…da müssen wir uns mal austauschen ??

      1. Sehr gern. Ja, eure Route kommt mir sehr bekannt vor. Wir haben ziemlich viel von Südostasien abgegrast, da können wir uns sehr gern mal austauschen.:) Euch alles, alles Gute und weiter so herrliche Eindrücke- nur lasst den ekligen Scheiß wie Parasiten und Selbstverstümmelung, ihr werdet zuhause nachher in einem Stück wieder erwartet. ?

  4. Marion Dehnhardt

    Gute Besserung und toi toi toi ? und sehr eindrucksvoll alles geschildert.
    Viel Spaß bei der Weiterreise Julia und Tom wünscht euch die Marion ?

  5. Sabine Dehnhardt

    Mir stockt der Atem -was für ein turbulenter Reisebericht mit super schönen Bildern und Eindrücken !
    Für den Finger – gute Besserung – beim Fäden ziehen – Augen zu und durch 🙂
    Für Euch liebe Grüße und ein gaaaaannnnnzzzzz liebes Lächeln …

    Sabine

  6. Gute Besserung, ich hoffe du wirst schnell fit und ihr hab nichts aus dem Krankenhaus mitgenommen ?
    Viel Spaß und Eindrücke bei der Weiterreise durch Vietnam:)

    1. Kessy Bärenz

      Hi ihr Süßen, wow was ihr alles erlebt. Mitreisender Schreibstil. Kann mich dem nur anschließen. Hätte zu gern die Spinne gesehen ?(dass muß an den vielen Gruselfilmen liegen, die ich schon gesehen habe). Paßt weiterhin gut auf euch auf und gute Besserung für den Finger. Fühlt euch umarmt. Liebe Grüße Kessy ?

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